Die Entstehungsgeschichte des Sammelns
Hätte die Menschheit die Verbote nicht, würde manche Lücke in der geschichtlichen Überlieferung klaffen. So wurde 1615 vom Magistrat verboten Fasnetsküchle abzuholen. Also wurde bereits vor 1615 gesammelt, und zwar von Kindern und Erwachsenen. 1881 wurde einem alten Waldseer Narren, dem Wachszieher Albrecht, genannt der Wächse, der Narrenorden erster Classe mit Maske und eingeschliffenem Schwert huldvoll verliehen. Der Wächse Jubilar dankte auf seine Art und ließ in der Schulpause am Gumpigen Dunstig aus dem dritten Stockwerk seines Hauses, das der Schule direkt gegenüber liegt, Süßigkeiten auf die staunenden Schulkinder herunterregnen.
In der Schwäbischen Zeitung vom 21.2.1895 ist zu lesen:
Wie alljährlich, so auch heuer wieder begaben sich mehrere bekannte und opferbereite hiesige Herren in drolligster Maskerade und mit Musikbegleitung nach den Schulen, um für sämtliche Schulkinder von den Herren Lehrern ein paar Stunden Freizeit zu erbitten. Nachdem dies geschehen, zogen die Kinderfreunde mit den glücklichen Kleinen durch die Stadt, denselben unterwegs kleine Überraschungen, wie Brötchen, Äpfel usw. zuwerfend.
So entstanden nach und nach die heutigen Fasnetsbräuche Schulstürmung, Wächsebrauch und vor allem der Kinderumzug, wo Süßigkeiten verteilt werden und jedes Mäschkerle am Schluß mit Wurst und Wecken als Belohnung beschenkt wird.
Dass dies alles möglich wurde, dazu bedurfte es nicht der Gründung eines Vereins, dazu waren nur ein paar Narren nötig. Sie gingen, kostümiert natürlich, von Haus zu Haus und sammelten Mehl und Geld, Eier und Äpfel, Jahr für Jahr, ununterbrochen bis 1915. Zur Kinderfasnet gehörten aber auch die Landkinder ( es gab damals extra eine Landschule ) und so eroberten die Sammler auch die Dörfer, mit Sammlerwagen oder Schlitten, mit Musik und großen Körben. Waren sie die ersten Jahre nur am Mittwoch und am Donnerstag morgen in der Stadt losgezogen, so kamen bereits nach dem ersten Weltkrieg der Montag und der Dienstag dazu.
Nach der Unterbrechung durch den zweiten Weltkrieg lebte der Brauch bereits 1947 wieder auf und seit 1949 nennt sich das närrische Volk Sammlervölkle. Seit 1950 hat das Völkle auch einen König dessen Residenz der Gasthof Zum Kreuz ist, wo vor der Hochfasnet auch jedes Jahr der Ball der Sammler stattfindet. 1951 führte das Sammlervölkle am Dreikönigstag das Gschellabstauben ein, den offiziellen Start der heutigen Waldseer Fasnetsaison. Mit dem größer werden der Stadt erweiterten sich auch die Aktivitäten des Sammlervölkles. Es umrahmt die Maskenvorstellung der Narrenzunft in den Kurkliniken, besucht die Alten und Kranken in Spital und Krankenhaus.
Die Kinder, die als Narrensamen oder in ulkigen Gruppen an den Umzügen am Gumpigen und am Fasnetsmontig teilnehmen, bekommen nicht nur nach wie vor ihre Würste und Wecken, sondern haben seit den sechziger Jahren am Fasnetsdienstag sogar ihren ganz eigenen Kinderumzug mit anschließendem Kinderball in der Stadthalle.
Dort werden mehrere hundert Kinder vom Sammlervölkle nicht nur bewirtet, sondern bekommen auch noch ein närrisches Programm geboten.